​​Auf zur Renaturierung! – Ein Bauprojekt als Lerngegenstand​

Schülerinnen und Schüler erkunden partizipativ die Arbeitswelt «Baustelle»

​​«Ich erinnere mich an das schöne Projekt am Wildbach, der an der Schule vorbei fliesst», Sabrina, XI, Berufsschülerin (ehemalige Schülerin an der MS Kaschubisch)​

Kurzbeschrieb

​​Die Neugier steigt, als in der nahen Umgebung des Schulhauses eine Baustelle eröffnet wird. Was werden sie tun? Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass eine Renaturierung geplant ist. Die Lehrperson nimmt diese Baustelle als Lernanlass und leitet Schülerinnen und Schüler an, sich mit der Thematik «Renaturierung» auseinander zu setzten. Dabei werden geplante Massnahmen diskutiert, Lösungsansätze konzipiert und am Ende eigene Projektideen präsentiert.  

​Baustellen in der nahen Umgebung der Schule bieten ideale Lerngelegenheiten, um fächer- und klassenübergreifend Projektarbeiten zu lancieren, sich vertieft mit einem Phänomen (wie beispielsweise der Renaturierung) auseinander zu setzen, Einblicke in Berufsfelder zu erhalten und politische Teilhabe zu erlernen. Schülerinnen und Schüler partizipieren mit ihren individuellen Fähigkeiten, vertreten ihre persönlichen Interessen und suchen gemeinsam nach Lösungen, wobei sie in komplexe Systeme eintauchen.  

Bildungsziele

Förderung von sozialen und personalen Fähigkeiten

Schülerinnen und Schüler lernen gemeinsam in der Gruppe zu arbeiten und üben sich im Umgang mit schulexternen Personen. 

Partizipation und Empowerment

Schülerinnen und Schüler werden für die Bewältigung der grossen sozialen und ökologischen Herausforderungen in Bezug auf die Lebensraumgestaltung sensibilisiert und für die Suche nach kreativen Lösungen motiviert.

Förderung des Zusammenlebens

Schülerinnen und Schüler erfahren sich als Teil der Schule und der Umwelt und stärken ihre Sensibilität für das nahe Umfeld.

 

Besondere Stärken

Aktiv entdeckende Teilhabe

Mittels eines konkreten Beispiels aus der nahen Umgebung hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich mit der Komplexität der Umsetzung eines Renaturierungsprojektes auseinanderzusetzen. Durch die Interaktion mit Fachexperten aus der Region, welche die Klasse im Schulzimmer besuchten, konnten sich Schülerinnen und Schüler mit konkreten Problemen, der Komplexität und den unterschiedlichen Anforderungen von Projekten dieser Art auseinandersetzen. Durch den täglichen Besuch des Renaturierungsgebiets wurden die Schülerinnen und Schüler für die Gestaltung ihrer natürlichen Umgebung sensibilisiert, welches sich stärkend auf das persönliche Engagement auswirkte.

Stärkung des Selbstwertgefühls

Die Schülerinnen und Schüler können sich frei äussern, ohne sich für ihre Antwort verurteilt zu fühlen. Dabei wird nicht zwischen richtig oder falsch unterschieden, sondern geeigneter oder weniger geeignet. Die Partizipationsmöglichkeiten steigert zudem das Selbstwertgefühl aller. Sieben Jahre später erinnert sich Sabrina, die inzwischen studiert, mit Freude und positiven Gefühlen an das Projekt zurück, welches sie als Schülerin der Giubiasco-Mittelschule erlebt hat.  

Aufbau von disziplinärem Wissen und Können

Das Projekt ermöglicht fachliches Wissen aufzubauen, sowie dazu benötigte Fähigkeiten zu trainieren. Schülerinnen und Schüler konnten sich vertieft mit der Thematik Renaturierung und verwandten Themen auseinandersetzen. In der Projektarbeit wurden soziale und personale Fähig- und Fertigkeiten geübt.  

 

Planung und Durchführung

​​Vorbereitung der Lehrperson (20h Vorbereitung, verteilt über die ganze Projektarbeit)

​Die Lehrperson musste sich im Vorfeld fachlich mit dem Projekt auseinandersetzen. Dazu wurde das Archiv des RSI und Teleticino aufgesucht, um nach Dokumenten zu den Überschwemmungen von 2008 (Hochwasser des Wildbachs Vallascia) zu suchen. In einem weiteren Schritt nahm die Lehrperson Kontakt mit dem Landwirtschaftsministerium auf, um das schulische Vorhaben vorzustellen und um an weitere Informationen der Planungsarbeiten zu gelangen (Pläne des Umbauprojektes, rechtliche Grundlagen usw.). In einem letzten Schritt wurde nach pädagogischen Materialien zur Thematik «Renaturierung» gesucht.  

 

​Durchführung in der Klasse

​Phase 1: Vorstellung und Analyse des Renaturierungsprojektes

​Als Konfrontationsaufgabe schauen sich die Schülerinnen und Schüler einen TV-Beitrag zur Hochwassersituation aus dem Jahre 2008 an. Dabei werden Ursache und Ausmass analysiert, eigene Problemlösungen entwickelt und diskutiert und eine Strategie festgelegt, wie die Bevölkerung für die Renaturierungsmassnahmen gewonnen werden können. Folgende Unterrichtseinheiten sind dazu zu durchlaufen: 

  • ​Was? (1 Lektion): Betrachtung des TV-Beitrages und Lokalisierung des Wildbachs Vallascia. 
  • ​Warum? (2 Lektionen): Ursachen und Gründe für das Übertreten des Baches suchen.  
  • ​Wie? (2 Lektionen): Lösungen suchen und mit dem Projektvorhaben vergleichen. Sich vertieft mit der Strategie der Renaturierung auseinandersetzen.  
  • ​Überzeugungskraft (3 Lektionen): Die Bevölkerung ist skeptisch. Die Schulklassen versuchen die Menschen zu überzeugen.  
​Phase 2: Lösungen entwerfen

​Während 6 Lektionen werden eigene Lösungen vertieft, ausgearbeitet und mit fachlichen Experten diskutiert. 

​Phase 3: Präsentation der entwickelten Lösungen
  • ​Marktstand (2 Lektionen): Die Schülerinnen und Schüler präsentieren ihre Lösungsvorschläge im Rahmen eines Marktstandes. Teil der Ausstellung sind auch Fachexperten aus dem Landwirtschaftsministerium, welche den Gruppen individuelle Rückmeldungen geben.  
  • ​Analyse (2 Lektionen): Nach der Präsentation vergleichen die Gruppen untereinander die Ergebnisse und analysieren die Rückmeldungen der Fachexperten. 
​Phase 4: Transferaufgabe

​Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Gelegenheit, ihr erworbenes Wissen und Können anzuwenden. Für die Casseratta-Mündung wurde ein Ideenwettbewerb lanciert. Die Schülerinnen und Schüler adaptieren ihre Projekte während zwei Lektionen an die neue Umgebung und reichen ihre Ideen ein. 

​Hinweis: Während des gesamten Projekts war es möglich, die Baustelle zu besichtigen (oder vom Fenster des Klassenzimmers aus zu beobachten), um so den Fortschritt der Arbeiten zu verfolgen. ​ 

Organisation

Schulinterne Organisation

Da die Projektarbeit im Rahmen des Sachunterrichts stattfand, waren keine zusätzlichen schulinternen Abmachungen nötig. 

Organisation mit externen Fachleuten

Die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium (Dipartimento del Territorio) musste die Lehrperson im Vorfeld organisieren. Die Zusammenarbeit basierte auf einer kooperativen Basis und die Fachexperten waren gerne bereit, mit den Schulklassen zusammenzuarbeiten. Es fand ein Besuch währen der ersten Phase (Projektvorstellung) und in der dritten Phase (Projektpräsentation) statt. 

Pädagogische Methoden

​​Projektorientiertes Arbeiten

​Während der Projektarbeit übten sich die Schülerinnen und Schüler in Gruppendiskussionen, erstellten Modelle, leisteten Recherche- und Feldarbeit, führten Expertengespräche durch und präsentierten schliesslich ihre Arbeiten vor externen Fachleuten. ​

Beurteilung

Formative Beurteilung

Die formative Beurteilung erfolgte durch die Beobachtung der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts (individuelle Rückmeldungen der Lehrperson und der Fachexperten). 

Summative Beurteilung

Summativ wurde die Transferaufgabe (Ideenwettbewerb Cassarate-Mündung) beurteilt. Die Schülerinnen und Schüler wurden dabei vor die Aufgabe gestellt, die Renaturierung unter der Berücksichtigung wesentlicher Aspekte im Verlauf von zwei Lektionen zu planen. Die Beurteilung erfolgte insbesondere unter der Berücksichtigung der vorgeschlagenen Eingriffe: Beseitigung bestehender Böschungen, Entfernung von Stufen und Platten aus dem Bachbett, Begründung geeigneter Pflanzen usw. ​

Herausforderungen für den/die Befragte/n

​​Zeitmangel

Damit eine höhere Kontinuität und mehr Zeitgefässe für die Lernenden geschaffen werden könnten, würde sich ein fächerübergreifendes Arbeiten lohnen. Insbesondere die Fächer RZG (Räume, Zeiten, Gesellschaften), WAH (Wirtschaft, Arbeit, Haushalt), NT (Natur und Technik) Mathematik und Deutsch würden sich eignen, um mehr Zeit für die Erstellung der verschiedenen Materialien, insbesondere der digitalen Materialien, einzuräumen.

Die Baustelle

Das Projekt ist mit einem Jahr Verspätung angelaufen, sodass nicht die Möglichkeit bestand, die konkreten Vorschläge der Schülerinnen und Schüler beim Kanton und den zuständigen Stellen zu berücksichtigen.

Politische Teilhabe und aktive Beteiligung

Zum Zwecke der Partizipation sollten die Schülerinnen und Schüler idealerweise bereits bei der Gestaltung des Schulumfelds einbezogen werden. Ausserdem könnte der gesamte Schulstandort einbezogen werden. So gäbe es mehr Möglichkeiten des Austausches zwischen den Schülerinnen und Schülern und die für die Arbeiten zuständigen Stellen. 

Ausserschulischer Lernort

Der Blick aus dem Fenster bzw. das Verlassen des Klassenzimmers wird nicht immer als pädagogische (Schul-)Aktivität wahrgenommen. Es lohnt sich, einige der im Klassenzimmer beobachteten Elemente aufzugreifen und in den Stunden des entsprechenden Unterrichtsfachs zu vertiefen (z. B. die Lebensbedingungen von Fischen). Dies würde auch einen anderen Arbeitsrhythmus ermöglichen.

Einfach umzusetzen

Baustellen in der nahen Umgebung können gut als Lerngegenstand für jedes Schulniveau aufgegriffen werden. Ideal ist es, wenn vor dem Baustellenstart einen Kontakt zwischen der Schule und den zuständigen Baubehörden stattfindet, so dass Ideen der Schülerinnen und Schüler ebenso in das Projekt einfliessen können. Die Initiative kann auch von der Schule selbst ergriffen werden, wenn diese eine problematische Situation in der näheren Umgebung feststellt und Verbesserungsmöglichkeiten in einem Bereich von öffentlichem Interesse sieht und den zuständigen Behörden Vorschläge unterbreitet.  

Dokumente zum Download

Masterarbeit:Rinaturiamo! Gli allievi progettano: strategie didattiche innovati…

Verwandte Angebote von é21

In Kürze

Schlüsselwörter
​​Natürliche Umwelt/Renaturierung; Lernort «Baustelle» ; Partizipation ; ​Politische Teilhabe​
Typ
In der Klasse
In der Schule
Schulstufe
Scuola media di Giubiasco
Mitglied des Schulnetz21
Ja
Anzahl der Klassen
2
Anzahl der Kinder
45
Ort
Kaschubisch
Kanton
Zeitlicher Aufwand
Langfristig
Dauer
​1 Schuljahr (ca. 20 Lektionen)
Vorbereitungszeit
​​20 Stunden (über zwei Monate verteilt)​
Kosten

​​Kein besonderes Budget (die Aktivität ist Teil der normalen Schulaktivitäten).​ 

Form der Bewertung
formativ
Lehrplanbezüge