Natürliche Ressourcen (wieder) wertvoll machen

Natürliche Ressourcen
  
Praxisbeispiele | DR. ARIANE HUGUENIN   

In den westlichen Gesellschaften der Nordhalbkugel ist der Überfluss eine solche Selbstverständlichkeit, dass man ihm gleichgültig gegenübersteht. Alles oder fast alles ist in beinahe unbegrenzter Menge verfügbar. Wir haben Zugriff auf die meisten Konsumgüter, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft, ihren Herstellungsprozessen oder den genutzten Ressourcen. Nur wenigen seltenen Gütern (Kunstwerken) oder Ressourcen, deren Endlichkeit gesellschaftlich anerkannt ist (Gold, Diamanten), wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt, was ihnen einen hohen Wert verleiht – einen Wert, der am Preis gemessen wird, den man für sie zu zahlen bereit ist. Dieser allgegenwärtige Überfluss wird zudem von Modemarken immer häufiger genutzt, um den Wettbewerb anzukurbeln. Indem sie die Kundschaft glauben lassen, dass bestimmte Modelle nur limitiert erhältlich sind, «schaffen» sie eine künstliche Knappheit. So steigern sie den gefühlten Wert der Produkte und wecken Begehrlichkeiten.

Unsere Beziehung zu Gütern hinterfragen

Die Klimakrise und der massive Verlust der Biodiversität in der Schweiz werfen aber die Frage nach der Erhaltung unserer natürlichen Ressourcen auf. Dabei müssen wir nicht nur unsere Beziehung zum Konsum von Gütern und Produkten, sondern auch die Nutzung dieser Ressourcen hinterfragen. Wir haben nämlich den Unterschied zwischen der Erfüllung grundlegender kollektiver Bedürfnisse und der Befriedigung persönlicher Interessen oder Kaufgelüste aus den Augen verloren. Ohne eine regulierte Verwaltung der frei zugänglichen Ressourcen, die auf einer gemeinsamen Vision beruht, werden diese Quellen aber zwangsläufig versiegen (Hardin, 1968).

Wie können wir vor diesem Hintergrund den natürlichen Ressourcen in unseren Augen (wieder) einen Wert verleihen? Diese Frage ist sinnbildlich für eine BNE und könnte als Grundstein für einen Unterricht an der Schnittstelle zwischen Geografie und Wirtschaft/ Recht dienen. Sie verweist einerseits auf die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft und regt andererseits dazu an, die Perspektive zu wechseln, unsere Lebensweise aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und in die Zukunft zu schauen, um neue Handlungsweisen zu entwickeln.

Um Konsumgewohnheiten kritisch reflektieren, über Verhaltensweisen im Einklang mit einer nachhaltigeren Zukunft nachdenken und schliesslich zu «Konsum-Akteur/innen» werden zu können, müssen Schülerinnen und Schüler vor allem für die Fragilität und Endlichkeit der Ressourcen sowie unsere Abhängigkeiten von den und unsere Auswirkungen auf Ressourcen sensibilisiert werden. Hierzu gibt es diverse Aktivitäten, die im Unterricht eingesetzt werden können.

Ein Spiel zu Allmendegütern

Das Lernspiel «Fischteich», das Iconomix in seinem Modul «Allmendegüter» (Link vgl. Literatur) anbietet, ist ein ausgezeichneter Einstieg in eine Diskussion über die Übernutzung der natürlichen Ressourcen und die damit verbundenen Herausforderungen. Die Schülerinnen und Schüler fischen in einem fiktiven Fischteich mit begrenztem Fischbestand und erfahren dabei, was es bedeutet, wenn viele zu viel wollen. Im Laufe der Spielrunden lernen sie die Merkmale von Allmendegütern kennen, d. h. ihre freie Zugänglichkeit, die daraus resultierenden Rivalitäten und die Gefahr eines unaufhaltsamen Schwindens der Bestände. Gleichzeitig führt sie das Spiel dazu, die «Wirkung von Sanktionen und Konferenzen» (ebd.) zu hinterfragen, und bietet so eine Basis für eine Debatte über die Verantwortlichkeiten von privaten und öffentlichen Akteuren sowie die Bedingungen für die Regulierung von Gemeingütern (Ostrom, 2010). Aus BNE-Perspektive reichen die Überlegungen, die durch dieses Spiel ausgelöst werden, allein nicht aus. Grundkenntnisse sind für einen Wandel zwar unerlässlich, aber sie müssen mit Aktivitäten verbunden werden, auf die die Schülerinnen und Schüler Einfluss nehmen können. Dazu könnte z. B. das Thema Wasser behandelt werden – eine Ressource, die wir im Übermass nutzen und von der wir abhängig sind, ohne uns dessen noch bewusst zu sein.

Fragestellungen zum Thema Wasser

Als Überleitung vom Spiel zum Thema Wasser können die Schülerinnen und Schüler gebeten werden, alle Tätigkeiten im Familienalltag (Duschen, Waschen, Abwaschen, Giessen usw.) aufzuzählen, bei denen Wasser verbraucht wird. Danach priorisieren sie ihre eigenen Bedürfnisse und notieren, worauf sie verzichten könnten. Wer in ihrer Familie wäre vom Verzicht betroffen? Das Ziel besteht dann darin, auch die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen und Kompromisse zu finden, sodass sie genügend Wasser für sich selbst haben, ohne die anderen Familienmitglieder zu beeinträchtigen.

Das Thema Wasser umfasst viele komplexe Aspekte, die in Gruppen bearbeitet werden können. Dabei kann man zunächst jeder Gruppe einen Aspekt zuweisen: Wasserknappheit und Wasserüberfluss, Wasserverschmutzung, Wassermanagement, Wasserprivatisierung, graues (oder virtuelles) Wasser. Danach formulieren die Gruppen selbst eine Fragestellung, die sie von der Lehrperson absegnen lassen, und versuchen, eine Antwort darauf zu finden. In einer zweiten Phase werden die Arbeiten in der Klasse vorgestellt, um die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen von Wasser und die grosse Abhängigkeit der menschlichen Aktivitäten von dieser Ressource deutlich zu machen. Abschliessend erarbeiten die Schülerinnen und Schüler Vorschläge für konkrete und umsetzbare Massnahmen, mit denen die quantitativen und/oder qualitativen Auswirkungen auf Wasser, z. B. in ihrer Schule, verringert werden können. Die Bedeutung von Wasser kann auch im Rahmen von Exkursionen oder Interviews mit Akteuren vor Ort wieder sichtbar gemacht werden. Das bedeutet, Kindern und Jugendlichen eine Auseinandersetzung mit der Realität zu ermöglichen und so zu versuchen, Wasser für sie (wieder) wertvoll zu machen.