Reportage aus dem Prêt-à-porter-Bereich
Text und Foto: Zélie Schaller
Gute Kleider für den Planeten
Die Mode ist eine der umweltbelastendsten Industrien weltweit. Eine Klasse der École de couture Valais analysiert die Produktionskette der Branche.
«Mein Gott, das ist wahnsinnig! Das geht gar nicht!», regt sich Chelsea auf. Die junge Frau, die das erste Lehrjahr im Walliser Couture-Lehratelier in Siders absolviert, hat eben herausgefunden, dass es 1,5 Kilo Erdöl braucht, um ein Kilo Polyester herzustellen. Das Thema an diesem Nachmittag: die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich.
Die Modebranche ist nach der Erdölindustrie derjenige Sektor, der die Umwelt am stärksten belastet.
Chelsea und ihre Kolleginnen und Kollegen machen sich daran, die weitläufigen Fäden der Kleiderindustrie zu entwirren. Ihre Lehrerin Eliane Kuonen und Gabriela Schnyder, die Direktorin der Schule, schlagen ihnen vor, die Etappen unter die Lupe zu nehmen, die hinter den Kleidern stehen: von der Gewinnung der Faser über die Herstellung des Stoffes, die Konfektionierung und den Verkauf bis hin zur Entsorgung der Altkleider.
Ein Vorschlag, der auf Begeisterung stösst: Die Lernenden bilden Gruppen und entscheiden sich für eine dieser Etappen. Sie recherchieren im Internet, um der Klasse danach eine Übersicht zu präsentieren. Die Gruppe von Chelsea, die sich mit der Herstellung von Kunstfasern beschäftigt, findet immer mehr haarsträubende Informationen: Polyester, ein Erdölderivat, macht 70 % der synthetischen Textilfasern aus, die in Kleidern verwendet werden, und jährlich werden 42 Millionen Tonnen dieses Materials hergestellt. Samantha schaut zu Chelsea: «Schockiert dich das?» «Ja, extrem! Jetzt weiss ich, weshalb man möglichst viel Stoff sparen muss.»
Null Abfall
«Im Walliser Couture-Lehratelier werden Stoffe bis zur letzten Ecke genutzt. Erstere stammen aus Spenden, von Messen oder Vertretern, die sie mit kleinen Mängeln verkaufen», erklärt Gabriela Schnyder. Die Stoffreste erhalten ein zweites Leben: Die Lernenden kreieren Patchworkkleider daraus. So entstehen eigentliche Unikate, freut sich die Direktorin. «Auf diese Weise lernen die Auszubildenden, Ökologie zu verstehen und zu leben», erklärt Gabriela Schnyder.
Nachdem die Lernenden ihrer Klasse nacheinander einige brisante Fakten zum aktuellen System der Textilproduktion und -nutzung vorgelegt haben, denken sie über Lösungen nach. «Weniger konsumieren», «Secondhand kaufen», «Kleider selbst nähen und alte flicken», schlägt die Gruppe vor. Der Tipp von Marie: «Kleider teurer verkaufen, damit man weniger Lust darauf hat, aber auch die Arbeiterinnen und Arbeiter besser bezahlen.» «Oder man könnte sich auch einfach gar nicht mehr anziehen!», fügt sie hinzu, was für schallendes Gelächter sorgt. Mit diesem nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag endet der Unterricht.